2. Oktober 2024

Schluss mit Langeweile: Wie Start- und Scale-ups kreatives Marketing als Wettbewerbsvorteil nutzen

kreatives Marketing

Langweilige Werbung ist ein doppeltes Ärgernis für Unternehmen. Sie führt dazu, dass Marken nicht wahrgenommen werden und Unternehmen mehr Geld für Sichtbarkeit ausgeben müssen. Wir zeigen Start-ups und Scale-ups einen Ausweg aus dieser Falle.

Studien zeigen, dass etwa 80 Prozent aller B2B-Werbeanzeigen und 50 Prozent der B2C-Anzeigen nicht die notwendige Aufmerksamkeit erzielen, um eine Wirkung zu zeigen. Dies liegt häufig daran, dass viele Kampagnen weder emotional noch visuell ansprechend genug sind, um bei den Konsument:innen in Erinnerung zu bleiben. Dabei spielt die Qualität der Kreativität eine zentrale Rolle für den Erfolg einer Kampagne. Untersuchungen belegen, dass Kreativität bis zu 80 Prozent des Erfolgs traditioneller TV-Kampagnen und bis zu 89 Prozent bei digitalen Kampagnen ausmacht.

Langweilige Werbung hingegen stellt für das Marketing von Start-ups und Scale-ups ein doppeltes Problem dar. Zum einen ist sie Ressourcenverschwendung, zum anderen zwingt sie Unternehmen zu erhöhten Medienausgaben, um trotz mittelmäßiger Kommunikation dennoch wahrgenommen zu werden – ein Phänomen, das als „Cost of Being Dull“ bekannt ist.

Es gibt jedoch einen Ausweg aus dieser kostspieligen Falle der Langeweile. Unternehmen, die Kreativität als strategisches Instrument im Marketing nutzen, um gezielt emotionale Verbindungen zu schaffen und einzigartige Markenelemente einzusetzen, heben sich nicht nur ab, sondern erzielen nachweislich bessere Ergebnisse. Kreativität ist entscheidend, um sowohl kurzfristige Verkäufe zu steigern als auch langfristige Markenbekanntheit und Kundenbindung zu fördern.

Was macht kreatives Marketing aus?

Kreatives Marketing umfasst mehr als nur auffällige Visuals und eingängige Slogans – es ist eine strategische Herangehensweise, die tiefergehende psychologische und emotionale Mechanismen nutzt, um die Wirkung zu maximieren. Marken, die starke emotionale Verbindungen schaffen, wie Nike mit seiner „Just Do It“-Kampagne oder Coca-Cola mit „Share a Coke“, können dauerhafte Kundenbindungen aufbauen. Diese emotionalen Verbindungen basieren oft auf einer Übereinstimmung der Markenwerte mit den Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe​.

Ein Paradebeispiel für Start- und Scale-ups ist die „Bitter Sweet“-Kampagne von Tony’s Chocolonely. Die niederländische Schokoladenmarke hat es geschafft, das ernste Thema der Ungerechtigkeit in der Kakao-Lieferkette mit der Freude an Schokolade zu verbinden. Durch eine auffällige visuelle Identität und ungleich gestückelte Schokoladentafeln unterstreicht Tony’s seine Positionierung als Challenger in der Branche und bleibt gleichzeitig seinem Kernversprechen „Crazy about chocolate, serious about people“ treu.

Zum Video: Tony’s Chocolonely – unequally divided chocolate bar

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verknüpfung von Marken mit bestimmten Bedarfssituationen, sogenannten Category Entry Points. CEPs sind mentale Trigger, die Konsumenten dazu veranlassen, sich an eine Marke zu erinnern, wenn ein Bedürfnis oder eine spezifische Situation entsteht. Marken, die sich auf diese relevanten Momente fokussieren, können ihre mentale Verfügbarkeit erhöhen, also die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einem Kaufprozess in Erwägung gezogen werden. Ein Beispiel hierfür ist Snickers, das mit „You’re not you when you’re hungry“ gezielt den Moment des Hungers als CEP nutzt​.

Distinctive Brand Assets wie Farben, Formen, Logos fungieren als mentale Abkürzungen und erleichtern die Wiedererkennung der Marke in verschiedenen Kontexten. Erfolgreiche Marken wie McDonald’s mit den Golden Arches oder Coca-Cola mit der markanten roten Farbe nutzen solche Assets, um sofortige Assoziationen zu wecken und sich von der Konkurrenz abzuheben.

Warum ist Kreativität im Marketing so wichtig?

Die Bedeutung von Kreativität im Marketing lässt sich durch die Struktur des Marktes erklären. Nur etwa 5 Prozent der potenziellen Kund:innen sind zu einem bestimmten Zeitpunkt kaufbereit, auch Current Demand genannt. Der Rest, also die 95 Prozent, die derzeit noch keine Kaufabsicht haben, gehören zum Future Demand. Diese dynamische Marktstruktur verdeutlicht, wie wichtig es ist, in den Köpfen der Konsument:innen präsent zu bleiben, auch wenn sie aktuell nicht aktiv nach einer Lösung suchen.

Kreatives Marketing spielt dabei eine Schlüsselrolle, um Top-of-Mind zu bleiben. Menschen erinnern sich an zwei bis drei Marken, wenn ein Bedarf entsteht, das sogenannte Relevant Set. Marken, die es schaffen, sich durch emotionale Verbindungen und kreatives Storytelling in dieses Set zu bringen, haben einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. In 70 bis 80 Prozent der Fälle wird die Kaufentscheidung zugunsten einer dieser Marken im Relevant Set getroffen​.

HSBC demonstriert eindrucksvoll im B2B-Bereich, wie man durch kreatives Marketing einen spezifischen Category Entry Point besetzen kann. Mit ihrer „Different Perspectives“-Kampagne aus dem Jahr 2003 positioniert sich HSBC als „The World’s Local Bank“ und will die erste Wahl sein, wenn Unternehmen in neue Märkte expandieren möchten. Durch kreative Visualisierungen kultureller Unterschiede unterstreicht HSBC ihr tiefes Verständnis für lokale Besonderheiten und bleibt so im Gedächtnis potenzieller Business-Kunden.

HSBC-Adverts
Bild: HSBC, eigene Montage
Wie man die Grundlagen für Kreativität legt

Als Führungskraft im Marketing ist es nicht Ihre Aufgabe, selbst kreativ zu sein. Aber Sie müssen die richtigen Voraussetzungen für kreative Lösungen schaffen. Der Schlüssel dazu ist eine klare und umsetzbare Marketingstrategie, die aus vier Kernkomponenten besteht:

    1. Marktsegmente: Definieren Sie klar, welchen Teil des Marktes Sie ansprechen wollen – und welchen nicht. Beschreiben Sie die Menschen in diesem Segment, ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten im Markt.

    2. Ziele: Setzen Sie spezifische, messbare und realistische Ziele. Statt vager Aussagen wie „Brand Awareness steigern“, definieren Sie konkrete Ziele wie „Marktanteil um X% im Zeitraum Y steigern“ oder „Top-of-mind sein für bestimmte Category Entry Points“.

    3. Ressourcen: Legen Sie fest, was Sie bereit sind zu investieren – sowohl finanziell als auch zeitlich. Achten Sie auf eine realistische Balance zwischen Zielen und verfügbaren Ressourcen.

    4. Positionierung: Bringen Sie Ihr Wertversprechen auf den Punkt und zeigen Sie, wie Sie sich vom Wettbewerb abheben. Eine gute Positionierung eröffnet Möglichkeiten für kreative Lösungen.

Ein herausragendes Beispiel für die Kraft einer klaren Strategie und Positionierung ist T-Mobile in den USA. Als Underdog im Markt definierte T-Mobile mutig seine Positionierung als „Un-Carrier“ und machte aus seiner Schwäche eine Stärke. Mit der Kampagne „Somebody had to“ inszenierte sich T-Mobile als Disruptor der Branche, der klassische Pain Points der Kunden adressiert. Diese klare Strategie führte zu kreativen Lösungen, die T-Mobile innerhalb weniger Jahre vom Nischenanbieter zum drittgrößten Carrier der USA machten.

T-Mobile
Bild: T-Mobile
Von der Strategie zur kreativen Umsetzung

Unternehmen wie Salesforce zeigen eindrucksvoll, wie sich kreative Lösungen mit der Unternehmensstrategie entwickeln können. Von der anfänglichen „The End of Software“-Guerilla-Kampagne, die Salesforce als SaaS-Pionier positionierte, über „The Customer Company“ bis hin zur aktuellen „Team Earth“-Kampagne – Salesforce hat es immer wieder geschafft, große gesellschaftliche Trends mit ihrer Unternehmenspositionierung zu verbinden und dabei konsistent ihre Distinctive-Brand-Assets zu nutzen.

Salesforce
Bild: Salesforce

Solche Beispiele verdeutlichen, wie kreative Teams, die auf einer klaren Strategie basieren, ihr volles Potenzial entfalten können. Für Führungskräfte bedeutet dies:

    1. Klare Briefings: Ein strukturiertes Briefing sorgt dafür, dass die kreative Arbeit auf die übergeordneten Unternehmensziele ausgerichtet ist. Briefings sollten nicht nur spezifische Anweisungen enthalten, sondern Raum für kreative Lösungen lassen.

    2. Realistische Erwartungen: Unrealistische Ziele oder Vergleiche können den kreativen Prozess stark hemmen. Es ist wichtig, die Erwartungen an die verfügbaren Ressourcen und an die Marktbedingungen anzupassen, damit kreative Ideen ohne unnötigen Druck entstehen.

    3. Evaluation kreativer Vorschläge: In Zeiten von KI sind Ideen nur einen Prompt entfernt. Ideen sind aber nur dann effektiv für das Business, wenn sie gut die strategische Positionierung widerspiegeln und die Zielgruppe erreichen. Eine fundierte Evaluierung hilft dabei, sicherzustellen, dass die Ideen nicht nur kreativ, sondern auch markenrelevant und wirkungsvoll sind.

    4. Mut für innovative Ideen: Offenheit für unkonventionelle und mutige Konzepte ist entscheidend, um die Positionierung eines Unternehmens zu beleben. Salesforce zeigt eindrucksvoll, wie innovative Ideen, die gesellschaftliche Trends aufgreifen, zu erfolgreichen Kampagnen werden können. Diese Verknüpfung von Kreativität und Strategie stärkt nicht nur das Markenbild, sondern unterstützt auch den langfristigen Erfolg​.

Fazit: Kreativität als echter Wettbewerbsvorteil

Kreatives Marketing kennt keine Grenzen – es bietet Unternehmen unzählige Möglichkeiten, sich am Markt erfolgreich zu positionieren. Entscheidend ist, dass das Marketing Interesse weckt, Aufmerksamkeit auf sich zieht und eine emotionale Brücke zwischen den Zielgruppen und der Unternehmenspositionierung schlägt. Ohne diese kreative Kraft laufen Unternehmen Gefahr, in der Masse unterzugehen – mit kostspieligen Folgen.

In einem zunehmend gesättigten Marktumfeld, in dem fast 60 Prozent der Konsumenten ihre Markentreue in Frage stellen, kann der erste Eindruck einer kreativen Kampagne oft ausschlaggebend für die Kaufentscheidung sein. Unternehmen, die Kreativität in ihre DNA integrieren, heben sich spürbar von der Konkurrenz ab – sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich.

Für Führungskräfte bedeutet dies, Kreativität und Innovation als strategische Prioritäten zu behandeln. Es gilt, ein Umfeld zu schaffen, das interdisziplinäre Zusammenarbeit fördert und neue Ideen gedeihen lässt. Die Einbindung verschiedener Perspektiven – sei es von Partnern, Kunden oder externen Kreativen – kann zu authentischen und wirkungsvollen Markenbotschaften führen, die im Wettbewerb den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Wicke, Solokarpfen
sebastian.wicke@solokarpfen.de